Firmenchronik
nach Rudolf Seidel
Die Vorgeschichte
Leo Aumüller begegnete mir erstmals in München, so um 1980 rum. Fiat hatte damals noch eine Dependance in der Eggenfeldener Straße, direkt neben Auto-König. Dort fanden technische Lehrgänge statt, die ich als potentieller Fiat-Händler besuchen durfte. Wir kamen schnell ins Gespräch. Der Nachmittag war kurzweilig und ich erfuhr vieles für mich Neues über Abarth. Doch dann geriet die Sache etwas in Vergessenheit (für fast 20 Jahre).
Das Rennen in Würgau
Wir erlebten bei der historischen Bergprüfung in Würgau 1999 einige der schönsten Rennfahrzeuge von Leo Aumüller in Aktion. So direkt wollte ich mich nach so langer Zeit nicht aufdrängen, also sendete ich eine Woche später ein Exemplar der „Bayerischen Automobil Rundschau“, meiner eigenen kleinen Auto-Zeitung, nach Schönbrunn. Die Resonanz kam sofort, es wurden Exemplare nachbestellt und ein möglicher Besuch in Schönbrunn angekündigt.
Helga Aumüller mit dem Fiat Balilla 508 Mille Miglia bei der Würgauer Bergprüfung
Das Fahrerlager bei der Würgauer Bergprüfung
Im Abarth-Paradies
Leo Aumüller fand nach Geschäftsschluss ein bisschen Zeit für mich. Schon der erste Eindruck des Betriebs ist erfreulich. Klein, aber fein und im Ausstellungsraum ein Lancia Stratos, ein Fiat Balilla Spider und der Abarth 2000 Sport Spider, den Leo Aumüller in Würgau bewegte. Der Meister begrüßte mich herzlich, und ab ging's in die Werkstatt, die aufgeräumt war, als wäre Tag der offenen Tür. Im Vorbeigehen erkannte ich einen zerlegten Fiat Abarth 1000 Bialbero, der gerade von Leo Aumüller restauriert wird. Und so erfuhr ich dann auch einiges über die Geschichte von Leo Aumüller und des dazu- gehörigen Autohauses.
Wie es dazu kam…
Leo Aumüller wurde am 24. Juli 1938 als Zweitältester von acht Kindern in Schönbrunn geboren. Sein Vater war Schmiedemeister. Er hatte 1920 bei einem Motorradunfall sein rechtes Bein verloren. So musste Leo dem Vater schon früh zur Hand gehen. Bereits mit zwölf Jahren kristallisierte sich der Traumberuf als Kraftfahrzeug-Mechaniker heraus.
Nach Abschluss seiner Lehre beim großen Fiat- und Büssing-Händler Müsch in Bamberg ging er 1956 nach Stuttgart, um dort mehr Erfahrungen als Geselle zu sammeln. Der Rennbazillus erwischte ihn auch ungefähr zu dieser Zeit.
Leo Aumüller mit seinem frisierten Fiat 600. Deutlich ist der große Luftfilter zu sehen, aber auch das zeitgenössische Zubehör. Und
nicht zu übersehen das flotte Outfit und der Stolz des Besitzers.
Beim Fiat-Händler in Stuttgart, dem Autohaus Niederberger, durfte er bald die Fiat Abarth 750 der Moto-Meter- und Mahle-Leute reparieren und natürlich auf den Killesberg Probe fahren. Ein Abarth wäre bei 400,-- DM Monatslohn nicht bezahlbar gewesen, also musste ein Fiat 600 mit Unfallschaden für 2.000,-- DM herhalten.
Der wurde nun in Eigenregie "frisiert", mit Vergaser vom Fiat 1100, selbstgebauten Nockenwellen mit gefeilten, gehärteten und dann aufgekeilten Nocken und so weiter. In hellblau, mit den damals modernen zwei Längsstreifen in schwarz und goldenen Pfeilen an der Flanke zeigte der erstarkte Kleinwagen seine 41 PS auch nach außen. Übrigens, beim Verkauf erzielte dieser "Pseudo-Abarth" stramme DM 4.500,--.
Dann war erst mal Schluss. Der auch dem Autor bekannte Gewissenskonflikt endete mit der Rückkehr in seine Heimat nach Schönbrunn und dem Aufbau eines Fiat-Betriebes.
Das Kappeler Bergrennen
Anfang der Sechziger Jahre wurden mit dem Fiat 1500 die Isabella, Volvo und BMW bei örtlichen Bergrennen niedergerungen, so auch am Kappeler Berg zwischen Burgebrach und Ebrach. Den Klassensieg bis 1600 ccm holte sich Leo Aumüller aus Schönbrunn, dessen Fiat 1500 schneller war als der 3,8 Liter Jaguar.
Nach der Meisterprüfung und dem Wehrdienst, der damals neu eingeführt wurde und für alle jungen Männer Pflicht war, machte sich Leo 1963 in seinem Heimatort Schönbrunn mit einem Lehrling im Hof des Vaters selbständig. Schon wenig später zog er auf das Nachbargrundstück um. Eine Tankstelle und eine kleine Werkstatt kamen dazu.
Bald machte er sich mit der Reparatur und dem Verkauf von Fiat-Automobilen einen guten Namen und die Kunden kamen von weit her nach Schönbrunn.
1965 war das Autohaus Aumüller offizieller Fiat-Händler. Drei Töchter wurden geboren.
1970 wurde die Werkstatt vergrößert und ein Ausstellungsraum gebaut. Nachdem sich das Autohaus etabliert hatte war das Rennfieber von Leo Aumüller nicht mehr zu unterdrücken. Jetzt sollte es ein richtiger Abarth sein! Was dann zuerst wie ein Unglück aussah kehrte sich später um – die Homologation für die klassischen Abarth-Typen lief aus.
Leo ließ sich davon nicht beirren und kaufte 1973 seinen ersten Abarth, einen weißen Abarth 850 TC Berlina mit roten Seitenstreifen. Um seine Frau zu beruhigen wurde das Auto zuerst von Georg Jäger, dem ersten Lehrling der Firma, beim Rennen pilotiert. Georg Jäger arbeitete bis zu seiner Pensionierung 2012 in der Firma als Kraftfahrzeug-Mechaniker.
1976: Fiat-Frühlingsfest in Schönbrunn mit Oldtimern als Blickfang
Mitte der 70er Jahre konnten über 250 Neuwagen jährlich vermarktet werden. 1978 wird die Firma in eine GmbH umgewandelt. Eine MV-Agusta Motorrad-Vertretung kam dazu und es fand eine große und vielbeachtete MV-Agusta Motorradausstellung in Schönbrunn statt.
MV-Agusta Motorräder in Schönbrunn im Steigerwald, darunter: Tochter Christine probiert die MV-Agusta 750 America
Ohne die Unterstützung seiner Frau Hedwig, welche den kaufmännischen Part der Firma leitete und immer hinter ihrem Mann stand – egal was man zu seiner damals wenig populären Oldtimer-Leidenschaft sagte – wäre dies alles nicht möglich gewesen.
Bis Anfang der 80er Jahre fuhr Leo erfolgreich mit seinen modernen Rennwagen. Doch die Abarths begannen mehr und mehr die Hauptrolle zu spielen.
Historischer Automobilmotorsport war in den 70er Jahren in Deutschland noch nahezu unbekannt. Die Abarths waren bei Rennveranstaltungen aber als Attraktion gern gesehen. Beim Schwanberg-Rennen tauschte Leo unter den verständnislosen Blicken seiner Rennfahrerkollegen sein erfolgreiches modernes Rennauto gegen einen Abarth ein.
Der Fiat Abarth OT 1300 Spider wurde bei Abarth als Einzelstück für den
Rennfahrer und Industriellen Andreas Schmalbach aus München gebaut.
Durch den langen Radstand wie beim Abarth OT 1600 hatte das Auto ein
wesentlich besseres Fahrverhalten und Leo Aumüller viele Erfolge.
Am Nürburgring am Start: Leo Aumüller im Fiat Abarth 1000 TC Baujahr 1965:
1988 fuhr Leo Aumüller bei zwei Rennserien mit. Das Resultat konnten sich sehen lassen:
1. Platz beim Shell-Pokal für historische Tourenwagen mit dem Fiat Abarth 1000 TC Baujahr 1965 und 2. Platz bei der Steigenberger GT-Championship mit dem Fiat Abarth 1000 Bialbero GT Baujahr 1961.
Alle Fahrzeuge wurden im eigenen Betrieb restauriert und für die Rennen vorbereitet.
1989 beginnt die älteste Tochter Margit nach einer Ausbildung als Werbebetriebswirtin eine Lehre als Kraftfahrzeug-Mechanikerin im elterlichen Betrieb.
1991 organisierte die Familie nach einer Idee von Alfred Cosentino (†2. November 2012) das 1. Abarth-World-Meeting auf Kloster Banz, bei dem mehr als 40 Abarth-Fahrzeuge mit über 100 Teilnehmer aus der ganzen Welt vertreten waren. Ehrengast des Treffens war Anneliese Abarth.
1995 legte Margit die Meisterprüfung im Kraftfahrzeug-Mechaniker-Handwerk als Beste der Handwerkskammer Oberfranken ab und erhält den Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung. 1996 trat sie mit in die Geschäftsführung ein.
Vater und Tochter starteten bei zahlreichen internationalen Rundstrecken- und Bergrennen. Oft waren beide die letzten Teilnehmer, die gerade noch rechtzeitig zum Start eintrafen. Und die ersten, welche wieder heimfahren mussten, denn das Geschäft durfte nicht darunter leiden. Was den Ergebnissen keinen Abbruch tat. Unmittelbar nach dem letzten Lauf und der Siegerehrung wurde alles zusammengepackt, die Abarths aufgeladen und die schöne Heimfahrt begann. Einmal sogar von kurz vor Rom aus.
Tourenwagenrennen und GT-Rennen am Nürburgring.
Der schnelle Abarth Simca 2000 GT Longnose, Fahrerwechsel Langstreckenrennen Nürburgring mit dem Fiat Abarth 1000 TC, und noch einmal Abarth Simca 2000 GT.
Ostern 1996: Frau Nadina Abarth-Žerjav (†16. September 2000), die zweite Ehefrau von Carlo Abarth, zu Besuch in Schönbrunn
2. Internationales Abarth-Treffen bei der Eifel Klassik am Nürburgring
1996 organisierte die Familie das 2. Internationales Abarth-Treffen im Rahmen der Eifel-Klassik auf dem Nürburgring. Sponsor war die Fiat AG, welche den Teilnehmern sogar ihr DTM-Zelt zur Verfügung stellte.
Eifel Klassik 1996: Anneliese Abarth, Walter Röhrl und Leo Aumüller (von links nach rechts). Abarth-Ingenieure und Rennfahrer unter sich (rechts).
Abarth-Sportlegenden bei der Freizeit und Garten in Nürnberg
1997 wurde in Zusammenarbeit mit der Messe Nürnberg die Sonderschau "Abarth-Sportlegenden" bei der 3. Classic-Car-Show der "Freizeit und Garten" in Nürnberg präsentiert. Zu den Stars der Ausstellung gehörten unter anderen das Abarth Lufthansa-Coupé, der Fiat Abarth 1300 OT Spider, der Fiat Abarth 1000 Biposto Bergspider (ex Johann Abt) und der Fiat Abarth 1000 TC Radiale.
Hochkarätige „Abarth-Sportlegenden“ bei der „Freizeit und Garten“1997 in Nürnberg
Mille Miglia mit dem Abarth 750 Double Bubble
Mit dem Fiat Abarth 750 Double Bubble Baujahr 1957 bei der Mille Miglia 1998 am Start. Fahrzeugdaten: 750 ccm Hubraum, 43 PS Leistung und Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
Ein Traum ging mit der Teilnahme an der legendären Mille Miglia mit dem Fiat Abarth 750 Coupé Zagato Double Bubble in Erfüllung. Die Töchter hatten ihre Eltern ohne deren Wissen anlässlich der bevorstehenden Silberhochzeit angemeldet. Die Anmeldung wurde akzeptiert! Das kleine Coupé im Aluminiumkleid mit den beiden markanten „Bubbles“ auf dem Dach fuhr die 2000 Kilometer ohne Panne. Für die oft schnurgeraden Streckenpassagen bekam das Getriebe von Leo eine extra lange Übersetzung verpasst.
Mitte 2000 endete aber die Zusammenarbeit mit der Fiat AG auf Grund deren Händlernetz-Umstrukturierungen. Die neuen Bedingungen konnte und wollte man nicht annehmen. Die Situation war nicht einfach und bereitete schlaflose Nächte. Doch die Firma konnte sich weiterhin als freies Autohaus und Restaurationsbetrieb behaupten.
Erste Probefahrt: Helmut Feierabend (†2008) bei einem Spontanbesuch mit dem von ihm gerade fertig restaurierten Fiat 8 V. Beide Familien verbindet eine lange Freundschaft.
Drei Generationen: Mutter und Sohn, Großmütter mit Enkelinnen
Abarth Sonderschau bei der Retro Classics in Stuttgart
Auf Einladung der Messe RETRO CLASSICS® in Stuttgart konnte eine große Abarth-Sonderausstellung einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden Die zahlreichen Besucher waren von den hinreißend schönen Abarths und der heute noch bahnbrechenden Technik der Rennwagen begeistert.
Impressionen vom Abarth Stand auf der Retroclassic in Stuttgart 2009
Auf großer Fahrt - KroArtia
Mobilität und Kunst. Kunst und Bewegung. 2012 beteiligten sich Margit und Helga mit dem Abarth Allemano Spider und dem Fiat 1100 Spider an einer 7tägigen Fahrt nach Kroatien. KroArtia, eine internationale Veranstaltung, zu der der Oldtimerclub Rijeka in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Syrlin eV eingeladen hatte. 14 ganz unterschiedliche Teams hatten unter der Leitung von Johannes Hübner das Wagnis auf sich genommen mit ihren ebenfalls ganz unterschiedlichen Raritäten auf Achse nach Reijka in Kroatien und wieder zurück zu fahren. Ein Test für die Zuverlässigkeit und für die Ausdauer von Mensch und Maschine. Im gastfreundlichen Kroatien begegneten sich Künstler und Teilnehmer zum Austausch.
Die Enkel sind in den Ferien oft zum Helfen da
Beliebtes Ausflugsziel für Clubs
Internationaler Edelweiß-Bergpreis Roßfeld Berchtesgaden 2016
Fünf seltene Abarth-Rennwagen waren am Start und wurden von Familienmitgliedern pilotiert: Fiat Abarth 2000 Sport Spider, Fiat Abarth 2000 GT, Fiat Abarth Lufthansa Coupé, Fiat Abarth 1000 Bialbero, Fiat Abarth 1000 Biposto Spider (von links nach rechts). Hier am Ziel auf dem Ahornkaser, kurz vor der Rückführung.
Am Ziel: Die Abarth-Meute kurz vor der Rückführung (Ahornkaser, Rossfeldrennen 2016)
Margit Aumüller mit dem Abarth 1000 Bialbero GT
Leo Aumüller kontrolliert den 8 V Abarth-Motor
„Mythos Abarth“ auf der Messe Retro Classic Bavaria
Die Geschichte des Skorpions wird fortgeschrieben und auf der Messe RETRO CLASSICS® BAVARIA 2017 in Nürnberg mit einer außergewöhnlichen Sonderschau der Sammlung der Familie Aumüller präsentiert. Abarth-Fahrzeuge sind ein Synonym für Performance, Leidenschaft und sportlicher Ausstrahlung.
Der Abarth-Stand auf Retro Classics in Nürnberg. Ein Korb Äpfel durfte nicht fehlen. Carlo Abarth war als Apfel-Esser bekannt und verwendete Äpfel auch manchmal als Accessoire bei Fotoaufnahmen.
Leo Aumüller in seinem Element, er weiht die Besucher in die Geheimnisse der Abarths ein.
Würgauer Bergprüfung 2022
Zahlreiche Zuschauer und ein tolles Starterfeld bei der Würgauer Bergprüfung 2022. Margit Aumüller errang den 1. Platz mit dem Abarth 1000 Bialbero GT in ihrer Klasse.
Abarth Track Day in Varano de Melegari 2023
Seit vielen Jahren veranstaltet Tony Berni einmal im Jahr einen Abarth Trackday und seit vielen Jahren besuchen wir die schöne Veranstaltung in Italien. Varano de Melegari ist die Heimat von Dallara. Die Firma hat dort eine eigene Rennstrecke.
Margit nach dem Lauf, ihr Vater kontrolliert den Motor. Leo checkt die Benzinzufuhr des Abarth 3000.
40 Jahre Freundschaft: Tony Berni, sein langjähriger Mechaniker und Leo Aumüller schneiden zusammen die Torte an (von links nach rechts). Leo Kröner im Abarth 3000 Spider mit Bruder Hans vor dem Start.
Heute
Neben dem Verkauf, Reparatur und Wartung moderner italienischer Fahrzeuge ist die Reparatur und die Restauration von Oldtimern italienischer Abstammung das zweite Standbein des Autohauses.
Vielen Dank für Ihre Treue.